Fast ein ganzer Olperer

Blockkletterei am Weg zum Gipfel - Foto: Paula Fuchsbichler

Und dann gibt es auch solche Touren: die, die ohne Gipfelsieg bleiben. Spannend und schön war’s trotzdem. Das war bestimmt nicht meine letzte Tour in den Zillertaler Alpen.

Freilich ist es bitter, 50 Meter unterhalb des Gipfels umzukehren, wenn man gut 1600 Meter aufgestiegen ist. Freilich auch dann, wenn man für die Tour knappe sechs Stunden Anfahrt im Auto in Kauf genommen hat. Doch manchmal kommt es eben anders.

Aufstieg im Nebel
Aufstieg im Nebel

Vier Tage hatten Paula und ich vorgesehen, um die Bergwelt im Zillertal zu erkunden. Doch die Wettervorhersage gönnt uns ein Wetterfenster von nur einem einzigen Tag. Eine einzige Tour. Der Versuchung, auf den Olperer zu steigen, können wir dennoch nicht widerstehen. Er ist eben auch ein ganz besonders Schöner.

Die Dominikushütte am Schlegeisspeicher erreichen wir gegen 21 Uhr. Der Stausee liegt umzingelt von Dreitausendern mit klingenden Namen: Schönbichler Horn, Großer Möseler, Breitnock, Hoher Weißzint, Hochfeiler, Hochferner. Olperer. Dieser thront im Nordwesten des Sees. Sehen können wir sie allesamt nicht. In der düsteren, regnerischen Nacht sind wir einfach nur froh, endlich angekommen zu sein.

Auf Höhe der Olpererhütte zeigt sich unser Ziel erstmals
Auf Höhe der Olpererhütte zeigt sich unser Ziel erstmals

Sehen können wir sie auch am nächsten Morgen nicht. Der Blick in die Landschaft endet nach wenigen Metern im Nebel. Erst als wir nach etwas mehr als einer Stunde Gehzeit die Olpererhütte erreichen, öffnet sich die Sicht über die wunderbare Bergwelt der Zillertaler Alpen.

So viele schöne Gipfel
So viele schöne Gipfel

Der Olperer thront über uns, die ersten Sonnenstrahlen erleuchten die verschneiten Hänge. Aufatmen, dass uns das Wetter wohlgesinnt ist, ein schnelles Frühstück auf der Hütte, ein heißer Tee. Um 8.15 Uhr gehen wir weiter.

Eigentlich sieht's gut aus...
Eigentlich sieht’s gut aus…

Grobes Blockgelände führt entlang dem Riepengrat zum Gipfelhang. Eine schöne Kletterei. Paula findet eine geschickte Aufstiegsspur durch die zehn Zentimeter Schnee, der hinter uns auch eine Gruppe Deutscher folgt. Es ist windig und klar. Ans gute Wetter glaubt sie nicht. Und sollte Recht behalten.

Blick ins Tal
Blick ins Tal

Als wir beim Gletscher ankommen (oder besser gesagt: bei dem, was davon übrig ist), hüllt sich der Olperer in dichten Nebel. Mit dem Wind, der immer wieder recht frische Böen schickt, hatten wir gerechnet. Von Nebel war in der Vorhersage keine Rede gewesen. Dass die Prognose erst für die Abendstunden eine Wetterverschlechterung vorsieht, weiß das Wetter leider nicht.

Gar nicht so einfach, einen Weg zu finden. Viele der Steinmännchen sind verschneit
Gar nicht so einfach, einen Weg zu finden. Viele der Steinmännchen sind verschneit
  • Olperer: 3476 Meter
  • 1600 Höhenmeter Aufstieg
  • Schöne Blockkletterei im zweiten Grad
  • Traumhafte Aussicht ab der Olpererhütte
Das Abklettern ersparen wir uns an dieser Stelle
Das Abklettern ersparen wir uns an dieser Stelle

Die 3476 Meter Seehöhe erreichen wir nicht. Nach dem steilen Aufschwung, der als Schlüsselstelle gilt, kehren wir noch auf den ersten Metern des Gipfelgrates um. Der Block ist zwar stahlseilversichert, aber der Schnee macht ihn recht rutschig. Zu schlecht ist die Sicht – zu diesem Zeitpunkt wissen wir nicht, ob der Nebel sich weiter verdichtet. Zu groß ist das Risiko.

Mit dem Pickel lässt sich der Untergrund besser spüren - Foto: Paula Fuchsbichler
´Mit dem Pickel lässt sich der Untergrund besser spüren – Foto: Paula Fuchsbichler

Die drei Deutschen, die von ihrer ursprünglichen Sechsergruppe noch übrig sind, tun es uns gleich. Über die Schlüsselstelle seilen wir uns ab. Unseren eigenen Spuren folgend steigen wir zur Olpererhütte hinunter. Der Gipfel zeigt sich an diesem Tag nicht mehr.

Einfach klass, die Tour
Einfach klass, die Tour

Und dennoch kreist die Frage, als wir in der warmen Hütte sitzen, im Kopf herum: Hätten wir es hinauf schaffen können? Ja, vielleicht. Sicher ist jedenfalls, dass die Entscheidung in dem Moment, in dem wir sie getroffen haben, richtig war. Dass es keinen Sinn hat, darüber nachzudenken, wie wir im Nachhinein entschieden hätten. Dass es Spaß gemacht hat, in den Blöcken zu klettern (auch hinunter!), obwohl meine Fingerkuppen zwischendurch blau waren.

Blick auf den Schlegeisspeicher beim Abstieg
Blick auf den Schlegeisspeicher beim Abstieg

Dass es spannend war, durchs Gelände einen Weg zu suchen, der nur mit meist eingeschneiten Steinmännchen markiert war. Dass es eine gute Idee war, uns über die kurze Flanke abzuseilen. Dass es Spaß gemacht hat, mit Paula unterwegs zu sein. Dass wir mit unseren „Gefolgschaft“ aus Deutschland einen sehr witzigen Abend hatten. Dass die Tour fordernd, schön und befriedigend war. Und vor allem: Gut is gangen, nix is gscheng.

Wettlauf gegen den Fahrplan: Wiesbachhorn für Motivierte

Dieser Gipfel macht glücklich

Groß, hoch, mächtig. So türmt sich das Große Wiesbachhorn vor uns auf. Doch die Uhr tickt. Ob wir den Gipfel schaffen, ist ungewiss.

Spontan ist gut. Sofern alles aufgeht. Wenn sich am Vorabend der Tour allerdings herausstellt, dass der erste Bus vom Kesselfall zu den Stauseen doch erst um 8.10 Uhr statt um 7 Uhr fährt, fängt das Spontan-Konzept plötzlich an zu bröckeln. 70 Minuten weniger Zeit, um den Gipfel zu erreichen – denn um 16.45 Uhr fährt der letzte Bus nach Kaprun zurück. Ganz schön knapp bemessen für eine Tour, die mit acht Stunden Gehzeit angegeben ist. Das wirft unseren Zeitplan gehörig über den Haufen. Da heißt es, starke Nerven zu behalten.

Noch fast ganz unten auf Höhe des Stausees - Foto: Andrea Gabriele
Auf den ersten Metern – Foto: Andrea Gabriele

Zum Wiesbachhorn bin ich völlig unverhofft gekommen. Bei einer geführten Alpenvereins-Tour zum Stubacher Sonnblick am Wochenende davor lerne ich Andrea kennen. Sie erzählt mir von ihren Plänen, in den kommenden Tagen aufs Wiesbachhorn zu gehen. Schöne Namen von schönen Gipfeln lösen in meinem Kopf eine Gedankenfixierung aus. Ich. Will. Da. Rauf.

Blick auf die Stauseen - Foto: Andrea Gabriele
Blick auf die Stauseen – Foto: Andrea Gabriele

Weil’s perfekt passt, beschließen wir, gemeinsame Sache zu machen. Zu zweit verspricht so eine Tour schließlich gleich viel mehr Spaß zu machen als alleine. Andrea ist so nett und teilt ihr Doppelzimmer in Kaprun mit mir, das sie für den Glockner-Ultra-Trail, der wenige Tage später stattfindet, schon gebucht hatte. Bergkollegin gecheckt, Tour gecheckt, Zimmer gecheckt. Check.

Die Tour sollte von den Anforderungen her für uns beide locker zu schaffen sein. Doch wie wir mit der knappen Zeit umgehen sollen, das ist uns etwas schleierhaft. Wenn alles gut geht, könnten wir es schaffen. Wenn nicht, müssen wir umdrehen, ohne den Gipfel erreicht zu haben. Zur Sicherheit vereinbaren wir eine Umkehrzeit.

Die massive Gipfelwand des Wiesbachhorns - Foto: Andrea Gabriele
Die massive Gipfelwand des Wiesbachhorns – Foto: Andrea Gabriele

Und dann: Die ersten 800 Höhenmeter schaffen wir in eineinhalb Stunden. Trotz der drei Kilo Äpfel, die wir beim Obststeigen-Depot bei der Staumauer bunkern und zur Hütte tragen. Der sehr nett formulierten Aufforderung, ein paar Lebensmittel hinaufzutragen, konnten wir einfach nicht widerstehen, und mehr als die paar Äpfel war nicht mehr in den Kisten. Der Weg bis zum Heinrich-Schweiger-Haus ist ein einfach zu gehender Steig mit ein paar versicherten Stellen, die bestimmt sehr hilfreich sind, wenn’s eisig ist. Beim Heinrich-Schwaiger-Haus kehren wir kurz auf einen Kaffee ein. Die Hüttenwirtin meint, dann schaffen wir’s in zweieinviertel Stunden zum Gipfel. Schaffen wir auch.

Klettersteig nach der Hütte
Gleich nach der Hütte geht’s ans Klettern

Gleich hinter der Hütte wartet der Klettersteig-Teil auf uns. Der Weg ist gut markiert mit roten Punkten. Dann geht’s über den Rücken am Gletscherrand entlang hinauf bis unter den Gipfelaufbau. Zum Großteil können wir den Schnee umgehen. Weil alles weich ist, bleiben die Steigeisen im Rucksack.

Der Gipfel zeigt sich erst relativ knapp vor dem Ziel
Der Gipfel zeigt sich erst relativ knapp vor dem Ziel

Dieser ist stufig angelegt. Nicht wirklich zum Klettern, aber auch nicht ganz einfach zu gehen. Auch wird die Luft immer dünner, jeder Schritt anstrengender, das anfängliche Tempo nicht haltbar. Immerhin, bis auf zwei, drei kleine Schneequerungen ist der Weg aber durchgehend aper. Einen unverhüllten Blick auf den Gipfel ergattern wir erst kurz vor dem Gipfelaufbau.

Stairway to Heaven - Foto: Andrea Gabriele
Stairway to Heaven. Zum Glück hört man am Foto nicht, wie ich schnaufe – Foto: Andrea Gabriele
Breiter Gipfelgrinser – Foto: Andrea Gabriele

Um 12.45 stehen wir am Gipfel und grinsen über beide Ohren. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Was für ein Massiv! Und was für ein Erlebnis, am Wiesbachhorn zu stehen! Mein bisher höchster Gipfel gibt sich mystisch, der Blick ins Tal und Richtung Süden ist in Wolkenfetzen gehüllt.

Viel Zeit oben bleibt uns leider nicht. Der Abstieg ist ohnehin noch lang genug. Ein kleines Bier auf der Hütte. Eine witzige Begegnung am Weg nach unten mit einem übereifrigen Deutschen, an dessen Rucksack befestigt eine leere Obststeige baumelt. Auf unsere Frage, was er denn mit der Kiste vorhabe, meint er nur leicht empört: „Zur Hütte hochtragen natürlich. Macht ja sonst keiner!“ Wie heißt es so schön? Ois fürs Training!

Kurze Ausblicke zwischen den Wolken
Kurze Ausblicke zwischen den Wolken

Den letzten Bus, der uns von der Staumauer ins Tal bringt, erreichen wir so locker, dass sich sogar noch ein Eislutscher ausgeht. Bis zu diesem Zeitpunkt ist unser Plan tatsächlich aufgegangen. Und dann fährt mir in Zell am See der Zug direkt vor der Nase davon. Doch die Heimfahrt nach Graz per Autostopp ist eine andere Geschichte…