Und dann gibt es auch solche Touren: die, die ohne Gipfelsieg bleiben. Spannend und schön war’s trotzdem. Das war bestimmt nicht meine letzte Tour in den Zillertaler Alpen.
Freilich ist es bitter, 50 Meter unterhalb des Gipfels umzukehren, wenn man gut 1600 Meter aufgestiegen ist. Freilich auch dann, wenn man für die Tour knappe sechs Stunden Anfahrt im Auto in Kauf genommen hat. Doch manchmal kommt es eben anders.

Vier Tage hatten Paula und ich vorgesehen, um die Bergwelt im Zillertal zu erkunden. Doch die Wettervorhersage gönnt uns ein Wetterfenster von nur einem einzigen Tag. Eine einzige Tour. Der Versuchung, auf den Olperer zu steigen, können wir dennoch nicht widerstehen. Er ist eben auch ein ganz besonders Schöner.
Die Dominikushütte am Schlegeisspeicher erreichen wir gegen 21 Uhr. Der Stausee liegt umzingelt von Dreitausendern mit klingenden Namen: Schönbichler Horn, Großer Möseler, Breitnock, Hoher Weißzint, Hochfeiler, Hochferner. Olperer. Dieser thront im Nordwesten des Sees. Sehen können wir sie allesamt nicht. In der düsteren, regnerischen Nacht sind wir einfach nur froh, endlich angekommen zu sein.

Sehen können wir sie auch am nächsten Morgen nicht. Der Blick in die Landschaft endet nach wenigen Metern im Nebel. Erst als wir nach etwas mehr als einer Stunde Gehzeit die Olpererhütte erreichen, öffnet sich die Sicht über die wunderbare Bergwelt der Zillertaler Alpen.

Der Olperer thront über uns, die ersten Sonnenstrahlen erleuchten die verschneiten Hänge. Aufatmen, dass uns das Wetter wohlgesinnt ist, ein schnelles Frühstück auf der Hütte, ein heißer Tee. Um 8.15 Uhr gehen wir weiter.

Grobes Blockgelände führt entlang dem Riepengrat zum Gipfelhang. Eine schöne Kletterei. Paula findet eine geschickte Aufstiegsspur durch die zehn Zentimeter Schnee, der hinter uns auch eine Gruppe Deutscher folgt. Es ist windig und klar. Ans gute Wetter glaubt sie nicht. Und sollte Recht behalten.

Als wir beim Gletscher ankommen (oder besser gesagt: bei dem, was davon übrig ist), hüllt sich der Olperer in dichten Nebel. Mit dem Wind, der immer wieder recht frische Böen schickt, hatten wir gerechnet. Von Nebel war in der Vorhersage keine Rede gewesen. Dass die Prognose erst für die Abendstunden eine Wetterverschlechterung vorsieht, weiß das Wetter leider nicht.

- Olperer: 3476 Meter
- 1600 Höhenmeter Aufstieg
- Schöne Blockkletterei im zweiten Grad
- Traumhafte Aussicht ab der Olpererhütte

Die 3476 Meter Seehöhe erreichen wir nicht. Nach dem steilen Aufschwung, der als Schlüsselstelle gilt, kehren wir noch auf den ersten Metern des Gipfelgrates um. Der Block ist zwar stahlseilversichert, aber der Schnee macht ihn recht rutschig. Zu schlecht ist die Sicht – zu diesem Zeitpunkt wissen wir nicht, ob der Nebel sich weiter verdichtet. Zu groß ist das Risiko.

Die drei Deutschen, die von ihrer ursprünglichen Sechsergruppe noch übrig sind, tun es uns gleich. Über die Schlüsselstelle seilen wir uns ab. Unseren eigenen Spuren folgend steigen wir zur Olpererhütte hinunter. Der Gipfel zeigt sich an diesem Tag nicht mehr.

Und dennoch kreist die Frage, als wir in der warmen Hütte sitzen, im Kopf herum: Hätten wir es hinauf schaffen können? Ja, vielleicht. Sicher ist jedenfalls, dass die Entscheidung in dem Moment, in dem wir sie getroffen haben, richtig war. Dass es keinen Sinn hat, darüber nachzudenken, wie wir im Nachhinein entschieden hätten. Dass es Spaß gemacht hat, in den Blöcken zu klettern (auch hinunter!), obwohl meine Fingerkuppen zwischendurch blau waren.

Dass es spannend war, durchs Gelände einen Weg zu suchen, der nur mit meist eingeschneiten Steinmännchen markiert war. Dass es eine gute Idee war, uns über die kurze Flanke abzuseilen. Dass es Spaß gemacht hat, mit Paula unterwegs zu sein. Dass wir mit unseren „Gefolgschaft“ aus Deutschland einen sehr witzigen Abend hatten. Dass die Tour fordernd, schön und befriedigend war. Und vor allem: Gut is gangen, nix is gscheng.

